Wie läuft die Fliegenpilz-Vergiftung ab?

Die Prognose einer Fliegenpilzvergiftung gilt im Allgemeinen als gut. Man müsste ca. 10 ganze Pilze verzehren, also ca. 1kg, um am Fliegenpilz zu sterben, so steht es jedenfalls in DocChec Flexikon geschrieben. Ich rate dringend davon ab, selbst einen einzigen Fliegenpilz zu verzehren.

Der Übeltäter im Fliegenpilz ist die Ibotensäure bzw. das Muscimol, welches sich bei Trocknung oder Erhitzung des Pilzes in Topf oder Pfanne oder durch den Verzehr und die anschließende Verdauung aus der Ibotensäure entwickelt. Doch es sind im Fliegenpilz weitere Pilzgifte enthalten – siehe „Die Gifte im Pilz und ihre chemische Wirkung“.

Die Symptome einer Fliegenpilzvergiftung hängen also von der Menge ab, die eine Person verzehrt und können von gar keiner Reaktion bei minimalen Mengen über die typischen euphorisierenden und halluzinogenen Symptome bis hin zum Eintritt des Todes reichen. Bekannt sind das Muscarin und das Pantheria-Syndrom. Beide Gifte sind im Fliegenpilz enthalten, wie oben bereits erwähnt, vom Muscarin sehr wenig und vom Muscimol sehr viel. Entsprechend verteilen sie die Reaktionenbilder. Mehr dazu hier:

Muscarin und Muscarin-Syndrom

Haben wir tatsächlich Acetylcholin im Fliegenpilz wie 1960 behauptet? Einen Neurotransmitter zum Essen? Oder ist es einfach das Muscarin, welches an die muskarinen Acetylcholinrezeptoren bindet und eine identische Wirkung hat? Selbstverständlich ist letzteres der Fall.

Muscarin hat dieselbe Wirkung im Körper wie Acetylcholin und setzt sich auch an dieselben Rezeptoren im Nervenspalt wie oben unter Cholin/Acetylcholin beschrieben, nur kann es von dem Enzym Acetylcholinesterase nicht abgebaut werden und somit eine Umkehr der Erregung nicht stattfinden. Dies führt dann zu der bekannten Dauererregung.

Die Wirkungen des Muscarins in seiner Vergiftungsausprägung sind:

  • vermehrter Speichel- und Tränenfluss,
  • Pupillenverengung (Miosis),
  • Schweißausbruch,
  • Erbrechen,
  • Durchfall und
  • Kreislaufkollaps.

 

Eine Vergiftung kann auch zu einer Herzlähmung und damit zum Tod führen.

Muscarin wurde ursprünglich (1869) im Fliegenpilz (Amanita muscaria) als erstes Pilzgift entdeckt und der Pilz nach diesem benannt. Es wurde damals als Ursache für dessen Gift-/Rauschwirkung gehalten. Nach späteren Erkenntnissen kommt Muscarin im Fliegenpilz jedoch nur in Spuren (2–3 mg/kg) vor. Für die eigentliche Gift-Wirkung des Fliegenpilzes sind die Substanzen Ibotensäure und Muscimol (etwa 500 mg/kg Pilz) verantwortlich.

Das Muskarin-Syndrom

Die Wirkung dieses Giftes setzt innerhalb weniger Minuten ein, der Wirkungseintritt kann jedoch auch bis zu 2 Stunden dauern. Muskarin ist ein Parasympathomimetikum, was bedeutet, dass es die Wirkung des Parasympathikus verstärkt, also unseren „Ruhebereiter“ im Körper aktiviert.

Als typische Symptome finden wir:

      • Sehstörungen durch Pupillenverengung,
      • Tränen- und Speichelfluss sowie
      • starke Schweißsekretion

 

Weitere mögliche Symptome sind:

      • Erbrechen,
      • Durchfall,
      • Magen-Darm-Störungen,
      • Zittern (Tremor),
      • Kopfschmerzen

 

Bei starken Vergiftungen:

      • verlangsamt sich der Puls (Bradykardie)
      • der Blutdruck fällt ab
      • Atemnot durch Verengung der Atemwege
      • Angstgefühle

 

Die Dauer der Vergiftung ist abhängig von der Schwere der Vergiftung. Schwache Vergiftungen klingen rasch ab und sind oft ohne besondere Therapie nach zwei Stunden überstanden. Starke Vergiftungen dauern länger (bis zu 24 Stunden) und können lebensbedrohliche Formen annehmen.

Das Pantherina-Syndrom in Kurzfassung

Die Vergiftungserscheinungen des Fliegenpilzes werden gemeinsam mit denen des Pantherpilzes (Amanita pantherina) unter der Bezeichnung Pantherina-Syndrom zusammengefasst. Die Latenzzeit wird allgemein mit ½ bis 3 Stunden angegeben. Danach treten Symptome auf, die insgesamt einem ins Extreme gesteigerten Alkoholrausch ähnlich sind, jedoch ohne Kater:

  • Verwirrung,
  • Sprachstörungen,
  • Ataxie,
  • starke motorische Unruhe,
  • Mydriasis

 

Diese Wirkungen des Muscimols erklären sich daraus, dass sowohl Alkohol als auch Muscimol mit dem Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) interagieren. Muscimol gilt als GABA-Mimetikum (chemische Verbindungen, die an den gleichen Rezeptor binden wie der eigentliche Wirkstoff) und dient der pharmazeutischen Forschung mittlerweile als Modellsubstanz für Verbindungen, die auf das GABA-Transmittersystem spezifisch einwirken (insbesondere Schmerzmittel). Damit hätten wir den heutigen wissenschaftlichen Beweis für den seit Jahrtausenden in Anwendung befindlichen Einsatz des Fliegenpilzes als Narkotikum bei Schmerzen und für Operationen.

Symptome:

Anticholinerge Wirkung:

  • weite Pupillen (Mydriasis),
  • trockene, warme Haut,
  • rascher Puls,
  • hoher Blutdruck,
  • oft im Wechsel mit cholinergen Symptomen,

 

nicht selten als Initialreaktion oder bei leichten Vergiftungen:

  • Pupillen eng (Miosis),
  • Haut feucht,
  • kühl,
  • Puls langsam,
  • Blutdruck niedrig

 

Weitere Symptome:

  • Erbrechen (selten),
  • Halluzinationen,
  • Krampfgeschehen nicht selten,
  • Koma,
  • nach Rauschzustand finaler Tiefschlaf

 

Latenzzeit: 15 Minuten bis 4 Stunden

Pilzarten, die das Pantherina-Syndrom als Vergiftungsfolge zeigen:

Pantherpilz (Amanita pantherina), Fliegenpilz (A. muscaria), Königsfliegenpilz (A. regalis), Narzissengelber Wulstling (A. gemmata) vermutlich toxinfreie u. toxinhaltige Rassen bzw. bei Verzehr größerer Mengen?

Je nach Stimmungslage stehen

  • Angstgefühl und
  • Depressionen,
  • Gleichgültigkeit oder
  • Euphorie bis hin zu seligem Glücksrausch im Vordergrund.

 

Typisch auch:

  • Störungen des Persönlichkeits-, Orts- und Zeitgefühls

 

möglich:

  • ein Gefühl des Schwebens,
  • überdurchschnittliche Leibeskräfte,
  • Farbillusionen
  • seltener echte Halluzinationen.

 

Häufig:

  • Tremor,
  • Krämpfe und
  • klonische Muskelzuckungen

 

Ein sehr tiefer, komaähnlicher Schlaf beendet dann meist nach 10 bis 15 Stunden das Pantherina-Syndrom. Die Patienten sind danach meist einigermaßen erholt und ohne Erinnerung an die durchgemachte Vergiftung.

Jedoch kann es auch zu Todesfällen durch Atemstillstand kommen. Diese sind sehr selten und lediglich in historischen Berichten dokumentiert.

Auffallend an dieser Pilzvergiftung ist das fast völlige Fehlen von gastrointestinalen Symptomen. In sehr seltenen Fällen bleiben für einige Zeit oder dauerhafte Folgen wie Interessenlosigkeit, Depressionen und chronische Müdigkeit zurück.

Muscimol löst in Mengen um 15 Milligramm zentralnervöse Störungen mit

  • Schwindel,
  • Benommenheit,
  • Unruhe,
  • Angstgefühle,
  • Ataxie,
  • Muskelkrämpfen,
  • Lähmungen,
  • starker Erregung,
  • Delirium,
  • euphorischen oder dysphorischen Verstimmungen,
  • Schläfrigkeit,
  • Behinderungen im motorischen System,
  • Verminderung der Konzentration,
  • Erhöhung der emotionellen Spannung,
  • Derealisation und Depersonalisationsphänomene und
  • Veränderungen im Raum-Zeit-Erleben (z.B. Verlust des normalen Zeit- und Ortsgefühls) mit allen Eigenschaften einer Modellpsychose aus.
  • Müdigkeit
  • Abgeschlagenheit
  • Schwindel
  • Nausea (selten)
  • alkoholähnliche, rauschartige Zustände
  • Sinnestäuschungen, Störungen des Farbensehens
  • Sprachstörungen
  • Gleichgültigkeit
  • Euphorie
  • starke Depressionen
  • Enthemmung
  • Aggressivität, Tobsuchtsanfälle
  • motorische Unruhe
  • Ataxie
  • Krampfanfälle
  • ungewöhnliche visuelle Eindrücke, Halluzinationen
  • Depressionen
  • Konzentrationsschwäche
  • Desorientierung
  • Euphorie
  • Delirium
  • Muskelkrämpfe, Tremor
  • Ataxie
  • epileptische Anfälle
  • Tachykardie, Arrhythmien
  • Schwitzen

 

Insgesamt wird deutlich, dass der Fliegenpilz nicht als Halluzinogen, sondern als Delirantium wirkt, bei dem die Einsicht in Ursache und Wirkung des Rausches verlorengegangen ist. Es treten Bewusstseinstrübungen und Realitätsverkennungen auf und die Überzeugung, fremde Personen seien anwesend. Die optischen Halluzinationen (falls sie denn überhaupt auftreten) sind nicht stark farbig, dafür kommen akustische Halluzinationen auf. Typischerweise fehlt die Einsicht in die Künstlichkeit des Vorganges, die Beobachterposition und die Erinnerung an den Wirkhöhepunkt gehen verloren.

In der Zeitschrift integration, Ausgabe 2&3, ist ein Bericht über 18 Fälle von Pantherpilzvergiftungen enthalten, die sowohl aus der Perspektive der behandelnden Mediziner als auch der betroffenen Patienten geschildert werden. In keinem der beschriebenen Fälle wurden Tobsuchtsanfälle oder andere Formen von Gewaltausbruch beobachtet. Dies deckt sich mit dem Bericht Carl von Dittmars aus dem Jahr 1900, wonach er sich an keinen erinnern könne, „der rasend oder wild geworden wäre.“ Sämtliche bekannt gewordenen Erfahrungsberichte bestätigen die in der Fachliteratur unter dem Pantherina-Syndrom aufgezählten Tobsuchtsanfälle nicht. Auch Wolfgang Bauer, der nach eigenen Angaben über eine Sammlung von Erzählungen von Fliegenpilzkonsumenten aus den Jahren 1978 bis 1990 verfügt, bestätigt, dass es bei keinem dieser Konsumenten Wutausbrüche oder Akte der Destruktion gab. Und doch, wenn wir unter die chemische Wirkung der Pilzgifte unter Muscimol schauen, scheint es eine Wirkumkehr zu geben, wo sehr deutlich wird, dass Wutausbrüche in diesem Fall möglich sind.